Seit ich über das Photo einer Dewey Bros. B1T gestolpert bin, habe ich mich in diese kleine Maschine verliebt. Zum ersten Mal entdeckte ich sie während einer Google Suche nach Industrie-Dampfloks.
Dieses Bild stammt aus einem Buch namens „Development of the Locomotive Engine“, das Angus Sinclair 1907 geschrieben hatte; dort diente es als Beispiel für ingenieursgeschichtliche Kuriositäten. Mehrere Universitäts-Bibliotheken bieten kostenlosen Online-Zugang zu dem Buch.
Es stellte sich heraus, dass man nur schwer an Informationen über Dewey Bros. Lokomotiven mit oszillierenden Zylindern herankommt. Der Startschuss fiel für mich mit einer ausführlichen Google Bild-Suche, gefolgt von einer Web-Suche. Trotz mehrerer Stunden Arbeit kam dabei nicht mehr heraus als drei Bilder und verschiedene Fragen in Foren, die aber nur wenig Antworten erhielten.
Was ich dafür aber fand, war ein Gemälde des australischen Künstlers Robin Barnes, der mir freundlicherweise erlaubt hat, seine Website zu zitieren:
„Angesiedelt 1884 in Goldsboro, North Carolina, betätigte sich Dewey Bros in der Herstellung und Reparatur von Maschinen für die Baumwoll- und Holzindustrie. Darüber hinaus produzierten sie zwischen etwa 1898 und 1928 um die 80 kleine Lokomotiven für den Industriebedarf. Die bis 1906 gebauten Lokomotiven verfügten über oszillierende Zylinder, eine übliche Technologie bei stationären Dampfmaschinen und in der Schifffahrt (und auch bei frühen Echtdampf-Spielzeuglokomotiven), aber dafür umso seltener im harten Eisenbahnbetrieb. Dies ist die Dewey mit der Loknummer 150 von 1902, einer Schmalspur-Lok für 3 Fuß (914 mm) Spurweite. Sie wurde an die Mullen Lumber & Brick Company ausgeliefert. Wenn schon nichts anderes, verbuchte dieses Antriebssystem für sich außergewöhnliche Einfachheit.“
Mr. Barnes war äußerst hilfsbereit und verwies mich auf die Quelle seiner Inspiration, das Magazin „The Railway And Locomotive Historical Society Bulletin No. 112 (April, 1965)“. Ich besorgte mir eine Ausgabe über Ebay. Zu meiner großen Freude war darin ein ausführlicher Artikel über die Geschichte der Dewey Bros. Company und ihrer Lokomotiv-Produktion. Da ich nicht über die Erlaubnis verfüge, möchte ich hier statt Zitaten und Scans der Abbildungen nur den bibliographischen Nachweis bringen, mit dessen Hilfe man die Zeitschrift schnell auffinden und erwerben kann:
Dunn, Michael J. III: Dewey Brothers Locomotives, in: The Railway and Locomotive Historical Society Bulletin No. 112 (April, 1965), pp. 55-63.
Der Artikel enthält 3 Bilder von Dewey Bros. Lokomotiven, von denen eine oszillierende Zylinder besitzt und die als Vorlage für Mr. Barnes‘ Gemälde diente. Er enthält außerdem ein paar sehr interessante Fakten über die Firma, die aus Interviews mit einem Sohn eines der Besitzer stammen und es gibt sogar eine detailierte Liste der seit 1898 produzierten Lokomotiven. Oszillations-Lokomotiven wurden mit den Nummern 10 bis 350 in 10er-Schritten ausgeliefert, die meisten davon gingen an Waldbahnen und Sägewerke, eine (Nr. 150) wurde an eine Ziegelei verkauft. Es gibt keine gesicherten Informationen darüber, ob Nummer 330 und 340 je gebaut wurden. Für die Nummern 10 bis 70 gibt es keine Aufzeichnungen über den Käufer, so dass sich diese am Besten für Freelance-Modelle eignen. Die Oszillations-Loks wurden für 3-Fuß Schmalspur und Normalspur konstruiert, die meisten als B-Kuppler mit Satteltank, gefolgt von einigen B1’T, noch seltener 1’B1’T (oder 1B1’T) und wenigstens einem B-Kuppler mit Schlepptender.
Im Jahre 1913 sattelte Dewey Bros. auf die Produktion von Getriebelokomotiven, über diese finden sich viele Informationen auf www.gearedsteam.com/dewey/dewey.htm
Dewey Brothers stellte die Produktion von Lokomotiven schließlich zwischen 1926 und 1928 ein, da die Eisenbahngesellschaften wuchsen und die Nachfrage sich auf stärkere Lokomotiven verschob. Die Firma konzentrierte sich auf ihre übrigen Produktlinien und überlebte bis in die 1970er Jahre.
Das letzte Bild, das ich ausbuddeln konnte, zeigt das Kesselschild einer Dewey Bros. Lokomotive. Ich hoffe, dass ich darauf basierend mein eigenes Schild anfertigen (lassen) kann. Auf der Seite existiert auch ein Photo mit den Überresten der Firma.
Das ist so ziemlich alles, was ich über die Firma und ihre Lokomotiven herausfinden konnte. Allerdings machte mich Mr. Barnes auf eine andere US-amerikanische Firma aufmerksam, die Lokomotiven mit oszillierenden Zylindern herstellte: Filer & Stowell aus Milwaukee. Es gibt einen interessante Artikel in der Model Railroader No. 43, zusammen mit drei Photos eines C-Kupplers, (vermutlich) einer 1’C und eines B-Kupplers, sämtlich mit Schlepptendern. Noch wichtiger sind aber die zahlreichen dreiseitigen Planskizzen des C-Kupplers, die so detailiert sind, dass man auf ihrer Basis einen vorbildgetreuen Nachbau wagen könnte, einem zweiseitigem Plan des B-Kupplers und einer Funktionsskizze der Zylindertechnik.
Da ich auch hier keine Urheberrechte verletzen will, hier der Literaturnachweis:
Odegard, Gordon: Filer & Stowell logging locomotives, in: Model Railroader No. 43 (May, 1976), pp. 46-49.
Wie man sieht, hänge ich auf einem einzigen Photo meines Vorbilds fest. Trotzdem konnte ich einen soliden Grundstock an Hintergrund-Informationen aufbauen und die Pläne der Filer & Stowell – Maschinen sind sehr hilfreich. Sie haben bereits meine zweite Skizze zu einem gewissen Grad beeinflusst und ich werde sie sicherlich immer wieder zu Rate ziehen, wenn mir die verfügbaren Bildern keine Antworten auf technische Fragen liefern.
Literatur
- Dunn, Michael J. III: Dewey Brothers Locomotives, in: The Railway and Locomotive Historical Society Bulletin No. 112 (April, 1965), pp. 55-63.
- Odegard, Gordon: Filer & Stowell logging locomotives, in: Model Railroader No. 43 (May, 1976), pp. 46-49.
- Sinclair, Angus: Development of the locomotive engine, New York 1907, p.511.