Es war mal wieder Gerds Schuld! 😉 Er hatte vor kurzem ein wundervolles Video gepostet, von einem Fahrtag im Zeitraffer:
Was mich besonders beschäftigte, waren die Rangierarbeiten mit Kette bei 0:38 und 5:18. Als mich dann ein regnerischer Nachmittag in die Werkstatt zwang, konnte ich nicht widerstehen. In wenigen Minuten war aus fliegendem Gleis eine Mini-Anlage zusammengebastelt.
Es folgten drei Stunden purer Rangier-Spaß. Und wieder einmal zeigt sich, dass Fantasie und etwas Improvisation eine ganze Anlage ersetzen können.
Für den besonderen Fahrspaß bietet sich eine Kehrschleife an. Die ist aber nicht unbedingt nötig. Man kann auch ein gerades Gleis auf einem Holzbrett befestigen, dass man dann wie eine Drehscheibe um 180° dreht, um den Zug zu wenden.
Ansonsten braucht man nur ein kurzes Stück gerade Strecke mit einem Stumpfgleis. Der aufmerksame Betrachter fragt sich sicher schon, was es mit den zwei hellen Holzstreifen auf sich hat…
Die Aufgabe ist simpel: Man soll zwei Waggon-Ladungen im Stumpfgleis an den richtigen Abladepunkten platzieren. Wir denken uns ein Lagerhaus für einen Möbelbauer und eine Laderampe, auf der ein Drehgestell ausgeliefert wird. Dazu braucht man nicht einmal mehrere Waggons, solange man annimmt, dass Ladekräne vorhanden sind.
Der Zug macht sich also auf die Reise. Weil die Strecke schwierig ist, muss der volle Waggon gezogen werden. Leider gibt es keine Ausweichgleise und das Stumpfgleis zeigt in die falsche Richtung.
Am Zielort angekommen wird also erstmal der Waggon von der Lok abgekuppelt. Die Lok bleibt dabei auf dem Streckengleis…
…während die Kette um den ersten Poller gelegt und an der Klauenkupplung des Waggons befestigt wird. Das hat es nämlich mit den Holzstreifen auf sich: Sie sind so breit gesägt, dass sie zwischen zwei Schwellen eingeklemmt werden und an einem Ende durchbohrt, so dass ein handelsüblcher Holzdübel von 6mm Dicke hineinpasst.
Dann rückt die Lok vor und die Weiche wird auf Abzweig gestellt, damit der Waggon in das Stumpfgleis gezogen werden kann.
Tatsächlich bräuchte man den ersten Poller nicht unbedingt, aber er sorgt dafür, dass die Zugkraft aus der Richtung des Abzweigs wirkt. Das ist gerade für den kleinen Bulkhead Nr. 100 wichtig, weil er sich sonst verdreht und dann auf dem Weichenherzstück entgleist. (Ja, das wurde ausgiebig getestet…) So wird der Betriebsablauf sicherer.
Sobald die Lok den zweiten Poller erreicht hat, setzt sie ein kurzes Stück zurück, damit die Kette nicht mehr unter Spannung steht. Sie kann dann um den zweiten Poller gelegt werden und die Lok setzt zurück.
Auf diese Weise kann sie den Waggon bis ganz ans Ende des Stumpfgleises ziehen, wo wir uns die Laderampe für das Drehgestell denken.
Und so sieht das Ganze in bewegten Bildern aus:
Dort angekommen, wird das Drehgestell (inklusive Schubstange) abgeladen. Derweil hat der Heizer als Aushilfs-Rangiermeister die Kette eingesammelt. Die Lok setzt bis hinter die Stumpfgleis-Weiche zurück…
…und kuppelt von der anderen Seite am Waggon an. Da ich noch keine weiteren Klauenkupplungen gekauft habe, muss ich auch hierfür die Kette verwenden. Die Lok zieht den Waggon nun zurück zum „Lagerhaus“ des Möbelbauers.
Dort wird die zweite Ladung abgeladen. Nun kann der leere Zug wieder zurückfahren, indem er die Kehrschleife gegen den Uhrzeigersinn durchquert.
Jetzt denken wir uns das Stumpfgleis als Anschluss für ein Sägewerk, das Holz für den Möbelbauer bereithält. Und beim Prellbock befindet sich ein Lagerhaus, in dem der Waggonbauer Drehgestelle zur Auslieferung bevorratet. Wie es der Zufall will, liegen gerade wieder zwei Ladungen zur Abholung bereit…
Die zweite Halbzeit beginnt. Da die Lok nun Tender voraus fährt, muss die Kette an der Klauenkupplung des Tenders angebracht werden. Deshalb habe ich sie auch mit einer Schlinge versehen, so dass sie leicht um Kupplung oder Pufferbohle gelegt werden kann.
Genau wie beim ersten Mal wird der Waggon per Kette in das Stumpfgleis gezogen. Allerdings diesmal erst zum Holz, weil dieses zuunterst im Waggon liegen muss.
Während des Ladevorgangs kann die Kette eingesammelt und wieder vorn an der Lok befestigt werden. Die Lok fährt dann ebenfalls in das Stumpfgleis ein.
Dort kuppelt sie an den Waggon an und schiebt ihn bis zum Lagerhaus des Waggonbauers.
Und dort kann auch das nächste Drehgestell verladen werden. Alles ist bereit zur Abfahrt!
Und somit ist der Zug wieder unterwegs, im Uhrzeigersinn durch die Kehrschleife und auf dem Weg die bestellten Waren auszuliefern.
Dieses Spiel benötigt, wenn man die Kupplungsvorgänge vorbildnahe ausführt, pro Durchgang eine ganze Viertelstunde. Und man lernt dabei viel darüber, wie man die Abläufe optimieren kann.
Mit mehreren Waggons kann man die Geschichte natürlich noch abwechslungsreicher gestalten. Genauso kann man die Ladepunkte zwischendurch tauschen oder auch mal eine Fehl-Lieferung definieren: Die Ware kommt zu früh und es gibt keine Kapazität um sie zwischenzulagern.
Ich hoffe, dass ich den Reiz von Rangierspielen ein wenig verdeutlichen konnte. Ich liebe es, Zügen beim Fahren in der Landschaft zuzusehen. Aber der wirkliche Spaß beginnt für mich dann, wenn die Abläufe zwischen den Fahrten ausgeführt werden können / müssen / dürfen. Vielleicht kann ich ja den einen oder anderen inspirieren? Lasst mich doch bitte wissen, was ihr von solchen Ablauf-Spielen haltet oder welche ihr selbst ersonnen habt!