Seit dem Erstflug letzten Sommer hat der Joyrider etwa einheinhalb Stunden in der Luft verbracht, dafür aber acht Stunden in der Werkstatt und den Rest der Zeit in der Lagerung. Es war eine holprige Strecke mit einigen Rückschlägen. Trotzdem gibt’s ein gutes Ende. Heute möchte ich Bestand aufnehmen über das, was seit den ersten Testflügen geschehen ist.
Wie schon beim Erstflug beschrieben, hatte der Joyrider eine Tendenz zum Aufbäumen, sobald ich Leistung auf den Motor gab. Der Grund dafür war der fehlende Motorsturz, weshalb sein Schubvektor unterhalb des (imaginären) Widerstands- und Schwerpunkts lag. Wenn also Leistung angelegt wird, entsteht ein aufwärts nickendes Drehmoment und die Nase geht hoch. Die erste Aufgabe auf der Werkstattliste war deshalb, Unterlegscheiben zwischen den Motor und seinen Spant zu legen, was den Motor und die Luftschraube nach vorn gekippt hat. Zugleich ist etwas Seitenzug nach rechts hinzugekommen, um die vom Antrieb resultierenden Roll- und Gierbewegungen nach links zu kontern.
Mit diesen Anpassungen zeigte der nächste Testflug schon gute Ergebnisse. Dafür kam jetzt aber die fehlende Antriebskraft so richtig zur Geltung. Der Flieger muss mit Schwung in die Luft geworfen werden und selbst bei voller Leistung kann er nur so gerade eben die Höhe halten. Da genau der gleiche Motor in der Lage ist, meinen Easy Glider in weniger als zwei Minuten auf 200 Meter Höhe zu bringen, muss es am Propeller liegen. Also nehme ich eine kleine Abkürzung und montiere einfach den Propeller und Spinner des Easy Gliders auf die Motorwelle des Joyriders.
Was für ein Unterschied – sowohl im Aussehen als auch im Ergebnis! Beim Start reißt sich der Joyrider förmlich aus meiner Hand los und bleibt für bis zu 15 Minuten bei halber Leistung in der Luft… und er ist schnell! Auf einmal muss ich mich von der ersten bis zur letzten Sekunde richtig konzentrieren. Die Steuerung ist ganz OK, nicht perfekt aber sie spricht ziemlich gut und direkt an. Der Schwerpunkt muss etwas verschoben werden, denn mein erster Flugversuch war ziemlich kurz, die schwanzlastige Maschine bäumt sich mächtig auf und plumpst dann in den Acker, glücklicherweise ohne Bruch zu bauen. Aber nachdem das korrigiert ist, verdient der Joyrider plötzlich seinen Namen!
Leider ist mittlerweile mein ursprüngliches Design völlig auf den Kopf gestellt. Die zierliche, leichtgewichtige Flugzeugzelle kann den nunmehr wirkenden Kräften nicht standhalten und nach drei kurzen Flügen reißt sich der obere Flügel glatt aus der Befestigung. Zum Glück halten die äußeren Streben stand und halten alles zusammen, so dass es wieder einmal eine kontrollierte Bruchlandung im Acker gibt. Zurück in die Werkstatt. Die Tragflächenbefestigung wird einmal mehr verstärkt und damit ist es dann gut.
Der Joyrider zählt jetzt tatsächlich als Kunstflugzeug. Er rollt und kurvt sehr schnell und schafft schnelle und langsame Loopings. Mehrere Flüge stellen die neue Natur des kleinen Fliegers unter Beweis. Allerdings wird die Nase durch den größeren Propeller überbeansprucht und beim letzten Flug veranlassen mich laute Vibrationen zu einem Flugabbruch. Die Ursache ist schnell gefunden, der Motorspant hat sich gelockert.
Das wird durch eine zweiteilige Verstärkung gelöst: Die äußeren Verstärkungen aus Rotzeder verbreitern die Kanten des Motorspants, so dass es zusätzliche Klebefläche gibt, die an der Nase verklebt werden kann.
Die inneren Verstärkungen entstehen aus Balsa-Dreikantleisten, die in die Ecken der Nase gepresst werden. Sie vergrößern die Klebefläche noch weiter und helfen dabei die durch harte Manöver auftretenden Drehmomente abzuleiten.
Der Motorspant hat jetzt nur noch vier kleine Löcher, durch die Luft zum Motor gelangen kann und die werden vom Spinner verdeckt. Deshalb werden zwei zusätzliche Lufteinlässe aus Balsaholz gefertigt. Diese werden an die Seiten der Nase angeklebt, nachdem entsprechende Ausschnitte in die Beplankung geschnitten wurden. Und so sieht der Joyrider jetzt aus:
Von der filigranen Semiscale-Optik ist nicht mehr viel übrig. Das Fahrwerk ist weg, es hat keine Chance die Landungen abzufedern. Der kleine Propeller ist einem stromlinienförmigen, dominaten Spinner gewichen und der Kühlergrill ist nicht mehr. Allerdings war dieses ganze Projekt von Anfang an ein Experiment. Deshalb trauere ich nicht vergangenen Dingen hinterher, sondern freue mich darauf, was sonst noch aus diesem Evolutionsprozess entstehen wird.
Der Joyrider fordert meine fliegerischen Fertigkeiten immer noch. Ich kann ihn so gerade in sauberer, kontrollierter Fluglage halten und hier und da ein bisschen Kunstflug einstreuen. Die Landungen sind immer ein Glücksspiel und nachher muss ich meistens hier und da eine überbelastete Verbindung mit etwas Sekundenkleber fixieren. Andererseits lerne ich gerade sehr viel und tatsächlich gefällt mir die Herausforderung und Abwechslung von meinem Segler.
Es sind immer noch ein paar Aufgaben und Wünsche übrig. Und ich werde auf jeden Fall davon berichten. In der Zwischenzeit werde ich versuchen, für etwas Videomaterial der eigentlichen Flüge zu sorgen.